Psychologische Astrologie
Die psychologische Astrologie ist ein wichtiges Teilgebiet der modernen Astrologie. Sie wurde inspiriert von Konzepten Sigmund Freuds und C.G. Jungs und ist als Gegenentwurf zur deterministischen klassischen Astrologie gedacht.
Die psychologische Astrologie enthält sich jedweder Wertung bei der Deutung. Sie geht davon aus, dass jede astrologische Konstellation positive und konstruktive Möglichkeiten bietet, sie ins Leben zu bringen. Astrolog:innen interpretieren Symbole und übersetzen sie in die Alltagssprache der:s Klientin:en.
Was ist Astrologie?
Astrolog:innen beobachten seit mindestens 4000 Jahren die Bewegungen der Himmelskörper und vergleichen damit das parallele Geschehen auf der Erde in politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Die Idee ist, dass die Konstellationen oben auf dem Himmel etwas mit den Ereignissen unten auf der Erde zu tun haben. Das war immer schon eine sehr systematische, wenn nicht sogar wissenschaftliche Vorgehensweise. Was wir nicht wissen, ist, warum die Bewegungen am Himmel etwas mit den Ereignissen auf der Erde zu tun haben sollten. Uneingestanden oder nicht benötigen wir dafür die Annahme eines göttlichen Plans, eines beseelten Universums oder eines universellen Bewusstseins, das völlig unabhängig vom Menschen existiert. Wohl aus diesem Grund gilt die Astrologie heutzutage als unwissenschaftlich.
Die Irrelevanz der verschobenen Sternbilder
Skeptiker der Astrologie argumentieren häufig, dass die Astrologie ja nicht stimmen könne, weil sich die Sternbilder ja in den letzten 2000 Jahren verschoben hätten. Die Beobachtung ist richtig, aber die westliche Astrologie hat schon seit über 2000 Jahren mit den Sternen nichts zu tun. Insofern ist diese Beobachtung gänzlich irrelevant. Astrolog:innen beziehen sich seit der Antike auf den tropischen Tierkreis und nicht auf die Sternbilder. Der tropische Tierkreis ist ein reiner Messkreis, der auf den Himmel projiziert wird und seinen Anfang dort hat, wo die Sonne den Himmelsäquator von Süden nach Norden schneidet. Diesen Punkt nennen wir den Frühlingspunkt und der ist astronomisch-mathematisch exakt bestimmbar. Im Jahr 2023 erreichte die Sonne diesen Punkt am 20. März um 21:24:17 Uhr Universal Time, also 22:24:17 Mitteleuropäischer Zeit. Astrolog:innen nennen diesen Zeitpunkt auch den Widder-Ingress der Sonne. Von diesem Punkt ausgehend, projizieren wir einen Messkreis an den Himmel, den wir dann in exakt 12 gleich große Abschnitte zu 30 Grad teilen, die wir Tierkreiszeichen nennen. Die Sternbilder mögen in früherer Zeit als Namensgeber für den Tierkreis gedient haben, haben aber in der westlichen Astrologie sonst keine Bedeutung mehr.
Astrologie interessiert sich für Bedeutung und Sinn der Zeitqualität
Das Hauptinteresse der Astrologie ist es, Bedeutung und Sinn zu liefern. Sie tut das in der Individualastrologie für einzelne Menschen und in der Mundanastrologie für Nationen, Konzerne, politische Parteien, Organisationen, Herrscherpersönlichkeiten oder für die Welt als Ganzes. Die Grundannahme der Astrologie ist, dass die Planeten-Stellungen am Himmel eine analoge Entsprechung auf der Erde haben. Über die Jahrhunderte haben Astrolog:innen Zuschreibungen für bestimmte Konstellationen gefunden, die in ähnlicher Weise immer wieder am Himmel sichtbar werden, sich aber niemals exakt wiederholen. Ob diese Zuschreibungen immer richtig sind, sei dahingestellt. Manche Deutungen müssen wir vielleicht vor unterschiedlichen kulturellen Hintergründen und Zeitepochen auch anpassen.
Die Kernkompetenz der Astrologie ist es, Zeitqualität zu deuten und Möglichkeiten anzugeben, die in bestimmten astrologischen Konstellationen enthalten sein können.
Wir verwenden dazu biografische und historische Untersuchungen und vergleichen Personen und Zeiten, bei bzw. in denen sich ähnliche Konstellationen am Himmel zeigten, mit dem parallelen Geschehen auf der Erde. Dabei lassen sich gewisse Muster erkennen, anhand derer wir eingrenzen können, was uns bei künftigen ähnlichen Konstellationen erwarten könnte. Diese Methode ist fehleranfällig, weil wir möglicherweise bestimmte Annahmen darüber haben, was sich auf Erden unter bestimmten Konstellationen zeigen könnte und dann nur jene Ereignisse auswählen, die auf das Muster passen. Aus diesem Grund sollten wir stets sehr selbstkritisch vorgehen bei unseren Deutungen. Einige Astrolog:innen scheinen in beinahe allen Planeten-Konstellationen immer nur Katastrophen und Negatives erkennen zu können und niemals das Potenzial. In diesem Fall sagt die konkrete Deutung einer Konstellation dann mehr über die:den Astrologin:en und ihre:seine Ängste aus als über die astrologische Konstellation selbst. Aber das ist bei Prognostikern der anerkannten Wissenschaften mitunter nicht anders.
Astrolog:innen machen seriöserweise niemals konkrete Prognosen, sondern gewissermaßen nur atmosphärische, thematische. So bedeutet ein Quadrat Saturns auf die Venus in einem individuellen Horoskop beispielsweise, dass eine Beziehung oder Finanzangelegenheit einer Prüfung unterzogen wird. Seriöserweise ist nur vorhersagbar, dass die Beziehung einer Prüfung unterzogen wird, dass Auseinandersetzungen geführt werden und dass eine größere Ernsthaftigkeit in unsere Beziehungen kommen wird. Ob dies allerdings eine Eheschließung, einen Beziehungsabbruch oder gar einen Gewaltakt bedeutet wird, wissen wir nicht. Das hängt vom psychosozialen Hintergrund, von der Bildung, der Kultur, dem Alter und auch der Intelligenz sowie dem Bewusstseinsniveau des Horoskopeigners ab. Jemand, der sich tief mit sich selbst und seinen Beziehungen auseinandergesetzt hat, wird einen solchen Transit anders erleben, als jemand, der über seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche weitgehend unbewusst ist. Nichtsdestotrotz werden konkrete Auswirkungen des Saturn-Prinzips, das auf das Venus-Prinzip einwirkt, beobachtbar sein.
Das Prinzip der Synchronizität
Wie aber ist so etwas möglich? Der große Mediziner und Psychologe C.G. Jung entdeckte dazu das sogenannte Synchronizitätsprinzip, das seiner Meinung nach als zweites Prinzip neben dem kausalen Prinzip existiert. Er meinte, dass es nicht nur kausale Ereignisse (wenn A dann B) gäbe, sondern auch akausale, die sich zwar nicht bedingen, aber in einem Sinnzusammenhang stünden. Solche Sinnzusammenhänge können wir regelmäßig im Alltag beobachten, ohne dass wir ihnen üblicherweise allzu viel Beachtung schenken. So ruft zum Beispiel eine Freundin genau in dem Augenblick an, wenn wir zum Telefon greifen wollen, oder wir träumen von einem Ereignis, das sich am nächsten Tag tatsächlich ereignet.
Im Rahmen der Psychotherapie arbeiten insbesondere jene Therapeut:innen, die mit systemischen Aufstellungen arbeiten, ganz selbstverständlich mit diesem Prinzip. Und sie stellen dabei gar nicht einmal mehr die Frage, wie das möglich ist, dass eine völlig fremde Person plötzlich Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen hat, die die Großmutter des aufstellenden Klienten immer wieder berichtet hatte. Wenn wir also die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass unsere Welt von Sinn erfüllt ist, so fällt es nicht mehr allzu schwer, Planetenkonstellationen am Himmel als symbolische Entsprechungen einer Zeitqualität zu sehen, die sich auch auf der Erde zeigt.
Mir gefällt dabei die Metapher der Uhr, die ebenfalls die Zeit nicht macht oder erzeugt, sondern nur anzeigt. Wer aber die Zeit macht, die wir irgendwann aus den Bewegungen der Sonne und der Erde abgeleitet haben, wissen wir ebenso wenig, wie wir wissen, wer die Bewegungen der Planeten macht. Die Bewegungen der Planeten sind vielmehr das, was wir vorfinden und wahrnehmen können. Und wie wir am Fallen der Blätter von den Bäumen schließen, dass es Herbst wird, ohne dass die fallenden Blätter den Herbst verursachten, können wir an den von der Erde aus beobachteten Planetenbewegungen Schlüsse daraus ziehen, welche Themen uns auf der Erde beschäftigen werden. Und diese Schlüsse sollten wir immer wieder überprüfen, überprüfen und noch mal überprüfen. Insofern ist Glaube an die Astrologie irrelevant. Es geht vielmehr um Beobachtung, Vergleiche und hypothesengeleitetes Schließen, solange bis wir eine Hypothese verwerfen müssen, weil zu viele Fakten dagegensprechen.
Die 12 Archetypen
Die Basis der psychologischen Astrologie stellen die 12 Archetypen Widder bis Fische dar. Der Begriff Archetyp wurde insbesondere von C.G. Jung aufgegriffen und weiterentwickelt. Er steht für (Ur-)Bilder des kollektiven Unbewussten. Die Horoskopfaktoren (Tierkreiszeichen, Planeten, Häuser) sind den Archetypen strukturell ähnlich, nämlich wie diese vielschichtig und mehrdeutig.
Der Sternenhimmel ist ja in der Tat das aufgeschlagene Buch der kosmischen Projektion, der Widerspiegelung der Mythologeme, eben der Archetypen. (C.G. Jung)
In der folgenden Liste wurden besonders typische Begriffe wie beispielsweise Krieger, Sammlerin etc. gewählt. Genauso gut könnte aber auch vom Widder-Archetyp, Stier-Archetyp, etc. gesprochen werden.
Jeder astrologische Archetyp besteht immer aus einem (Tierkreis-)Zeichen, einem Planeten und einem Haus. Im Einzelnen sind das die Archetypen:
- des Kriegers (Widder – Mars – 1. Haus)*,
- der Sammlerin (Stier – Venus – 2. Haus),
- des Forschers (Zwillinge – Merkur – 3. Haus),
- der Mutter (Krebs – Mond – 4. Haus),
- des Helden (Löwe – Sonne – 5. Haus),
- der Späherin (Jungfrau – Merkur – 6. Haus),
- des Diplomaten (Waage – Venus – 7. Haus),
- der Bezwingerin (Skorpion – Pluto – 8. Haus),
- des Lehrers (Schütze – Jupiter – 9. Haus),
- der Meisterin (Steinbock – Saturn – 10. Haus),
- des Narren (Wassermann – Uranus – 11. Haus) und
- der Heiligen (Fische – Neptun – 12. Haus).
*) die abwechselnd männlichen und weiblichen Artikel weisen auf die männliche und weibliche Qualität der Tierkreiszeichen hin.
In der konkreten Radixdeutung werden dann jedoch Planeten, Häuser und Tierkreiszeichen differenziert (vgl. Artikel Die Sprache der Astrologie). Sehr vereinfacht ausgedrückt, zeigt uns der Planet im Horoskop WAS geschieht, das Haus zeigt uns WO etwas geschieht und das Tierkreiszeichen zeigt uns WIE etwas geschieht. Am Beispiel eines Merkur im Stier im 5. Haus eines Horoskops: der Horoskopeigner kommuniziert (Merkur), um sich zum Ausdruck zu bringen (5. Haus), wobei er eine greifbare, vielleicht sogar sinnlich schöne Sprache (Stier) benutzt.
Die Hohe Kunst der Astrologie ist es, diese unterschiedlichen Ebenen so zu deuten, dass sie einerseits Sinn ergeben und andererseits vom Klienten verstanden werden können und ihm weiterhelfen.
Weitere Artikel zum Verständnis der Astrologie
Auf dieser Website finden Sie einige Artikel, die das Verständnis von Astrologie vertiefen können, nämlich unter anderem:
Literatur
Hamann, Brigitte (2011). Die zwölf Archetypen. Tierkreiszeichen und Persönlichkeitsstruktur. Reihe MensSana, Knaur Verlag.
Jung, Carl Gustav (2001). Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge, Kapitel 8 in Band 8 der Gesammelten Werke. Walter Verlag.